Neue Anforderungen an die Wissenschaftskommunikation

Wissenschaftskommunikation ist heute wichtiger denn je. Die Latte für junge Forschende liegt entsprechend hoch. Doch der Erwerb der dafür nötigen Qualifikationen ist oft nicht so einfach und nicht alle Nachwuchswissenschafter:innen sind bereit, auf die mediale Bühne zu steigen.

 

Die Aufgaben von Wissenschaftskommunikatoren umfassen ein breites Feld. Die neuere Wissenschaftsforschung subsumiert darunter alle Formen der Kommunikation von wissenschaftlicher Arbeit und wissenschaftlichen Inhalten, einschließlich der direkten, interdisziplinären Kooperation der Forschenden untereinander und mit der breiten Öffentlichkeit. In diesem Sinne ist Wissenschaftskommunikation also so etwas wie ein Dachbegriff, der Wissenschafts-PR und Journalismus inkludiert, aber noch weit darüber hinausgeht.

 

Die Fülle an damit verbundenen Qualifikationen kommt bislang in der Ausbildung junger Wissenschafter:innen nur bruchstückhaft vor und umfasst häufig noch nicht einmal die eigene Fachrichtung. Viele Nachwuchsforscher springen daher ins kalte Wasser, erweisen sich als mehr oder weniger begnadete Kommunikatoren und lernen oft mühsam aus ihren Fehlern. Andere scheuen lieber ganz das Licht der Öffentlichkeit und sind dabei in guter Gesellschaft.

 

Letztendlich ist es nur eine sehr kleine Gruppe, die tatsächlich als Wissenschaftskommunikatoren aktiv ist. Das zeigte sich zum Beispiel eindrucksvoll, während der Covid-19-Pandemie, in der sich ein sehr eingeschränkter Kreis von Forschenden regelmäßig in den Medien äußerte und mangels alternativer Gesprächspartner auch oft zu Themen, die nicht in ihrem unmittelbaren Forschungsbereich lagen. Das ist schade, da hier ein enormes Potenzial an Fachkenntnis verborgen bleibt und viele Stimmen der Wissenschaft einfach ungehört verhallen. Dieses Manko lässt sich auf viele andere Wissenschaftsbereiche übertragen und ist auch und gerade bei jungen Forschenden ein Thema.

 

Lückenhafte Qualifikationsangebote

 

Worin liegen nun die Wurzeln dieser Defizite und warum starten Nachwuchswissenschafter:innen nach wie vor mit unzureichender Medienkompetenz in ihre Berufslaufbahn? Mittlerweile werden Wissenschaftskommunikationsstrategien an den verschiedensten Ausbildungseinrichtungen gelebt. Und der wissenschaftliche Nachwuchs wird auch kräftig dazu angehalten, Forschungsergebnisse öffentlich zu machen. Dass es dann dennoch oft nicht so richtig klappen will, hat mit einem nach wie vor lückenhaften Angebot an Ausbildungsmöglichkeiten zu tun.

 

Die akademische Ausbildung ist mitunter überfordert mit der Frage: „Wie soll man Studierenden bestmöglich einen gangbaren Weg durch die Fülle an Kommunikationsmöglichkeiten, Social Media und enormen Datenmengen aufzeigen?“. Das alles in ein Curriculum zu packen, sei eine der großen Herausforderungen für die Zukunft, erklärt die Linguistin Annette Leßmöllmann, die den Lehrstuhl für Wissenschaftskommunikation am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) innehat, im Wissenschaftskommunikation.de-Journal.

 

So hören junge Forschende zwar den Ruf, den Elfenbeinturm der Wissenschaft zu verlassen, aber wie das zu schaffen ist, müssen sie oft noch selbst herausfinden. Das Engagement, sich etwa in Nächten der Wissenschaft oder Bürgerdialogen einzubringen, ist da. Doch das Werkzeug für die Wissensvermittlung fehlt häufig angesichts knapper Weiterbildungsangebote, in denen zumindest die Grundlagen wissenschaftskommunikativer Methoden und Strategien gelehrt werden. Und hier geht es vor allem um Verständlichkeit, damit die wissenschaftliche Kommunikation außerhalb des eigenen und eng begrenzten Fachbereichs funktioniert.

 

Von Wissensvermittlung bis Selbstdarstellung

 

Das Feld ist zudem äußerst unübersichtlich. Das beginnt schon bei der Vielzahl an Akteuren, die sich in der Wissenschaftskommunikation tummeln. Sie kommen längst nicht mehr nur aus dem akademischen Wissenschaftsbetrieb, sondern treffen auf Vertreter:innen von Forschungsabteilungen in Unternehmen, aus politischen Institutionen, NGOs und Fachgremien. Weitere Kommunikatoren stammen aus dem klassischen Journalismus oder sind Bloger:innen. Jeder diese Akteure nutzt bevorzugte Kommunikationskanäle, die von Fachpublikationen über direkte Kommunikation bis hin zu Blogs, Facebook, Twitter und andere Social Media reichen.

 

Auch die Ziele sind oft unterschiedlich. Die einen fokussieren sich auf die Vermittlung von Wissen, andere wollen Verhaltens- und Einstellungsänderungen erreichen und so machen geht es vorrangig um Reputation, Image und Karriereoptimierung. Diese bunte Vielfalt macht Wissenschaftskommunikation unübersichtlicher und die crossmediale Herangehensweise lässt frühere Grenzen verschwimmen.

 

Gerade junge Forschende sind mit dem Aufbrechen klassischer Rollenmuster konfrontiert und damit, dass es keine festen Grenzlinien mehr zwischen der allgemeinen „Internet-Öffentlichkeit“ und der aus Wissenschaftern bestehenden Fachöffentlichkeit zu geben scheint. Wer sich den Herausforderungen stellt und sich in das mediale Getümmel stürzt, stellt oft fest, wie zeitraubend gerade Social Media sind und nicht selten leidet durch das ständige Kommentieren, Teilen und Liken der Fokus auf die eigene Arbeit. Oft fehlen einfach wichtige Strategien, um im breiten Feld der Kommunikationsmöglichkeiten und unterschiedlichen Öffentlichkeiten nicht den Überblick zu verlieren.

 

Junge Forschende weisen auf Defizite hin

 

Und wie sehen junge Forschende selbst die Problematik rund um dieses Thema? Sie fordern vor allem mehr Anleitung und Unterstützung. 50 von ihnen aus insgesamt 26 Ländern trafen 2021 in Berlin zur International Summer School von Wissenschaft im Dialog zusammen. In einem Impulspapier stellten sie eine Art Forderungskatalog zusammen, um Änderungen in diesem wichtigen Bereich anzustoßen. Darin fordern sie für Jungwissenschafter:innen mehr Unterstützung beim Dialog mit der Öffentlichkeit. Die Kommunikation dürfe nicht allein auf den Schultern der Forschenden lasten, so ihr Anliegen. Das ist ein wichtiger Punkt, da Hochschulen diese immer stärker zum Teilen ihrer Ergebnisse mit der Öffentlichkeit anhalten. Doch im Grunde verharrt das System auf einer individuellen Ebene ohne institutionelle Förderung und Anreize.

 

Von den Jungwissenschafter:innen kommt daher ein naheliegender Appell: Bei jedem Projekt sollte ein gewisser Teil der Fördermittel der Kommunikation zugutekommen. Zudem sollte bei der Bewilligung von Förderanträgen berücksichtigt werden, wie gut das inkludierte Kommunikationskonzept ist. Ein weiterer wichtiger Punkt: Wissenschaftliches Kommunizieren soll nach dem Willen der jungen Forschenden ein fester Bestandteil im Prozess des Publizierens werden. Zudem wünschen sich die Jungwissenschafter:innen neue, auf Wissenschaftskommunikatoren zugeschnittene Stellenprofile, die sich ganz oder teilweise dieser Aufgabe widmen. Auch Programme für den interdisziplinären Austausch könnten der Kommunikationskompetenz der Nachwuchsforschenden auf die Sprünge helfen, so die Wünsche der jungen Teilnehmer der Berliner „Summer School“.

 

Müssen wirklich alle zu Kommunikatoren werden?

 

Diese Forderungen sind naheliegend und doch stellt sich für so manche Jungforschenden die Frage: „Ich will doch in erster Linie forschen, muss ich denn unbedingt auch noch zum Kommunikator werden?“. Diese Zweifel und das Nicht-Wollen so mancher ist nachvollziehbar. So wichtig die Wissenschaftskommunikation ist, so ist sie doch nicht jedermanns Sache. Nicht alle, die sich in der akademischen Welt pudelwohl fühlen, sind auch in dieser Hinsicht begabt. Talent und individuelle Vorlieben bestimmen mit, ob man ein mitreißender Präsentator vor einem großen Publikum ist. In diese Rolle zu schlüpfen, ist auch nicht unbedingt nötig, wenn man Wissenschaft angemessen kommunizieren will. Ein Mindestmaß an Erklärungsfähigkeit wird in Zukunft aber wohl unverzichtbar sein. Der Populismus nimmt zu und Erkenntnisse der Wissenschaft werden zunehmend hinterfragt. Daher wirken sich Vermittlungsdefizite zwischen Wissenschaft und Gesellschaft umso stärker aus.

 

Die Fähigkeiten der Generation von Wissenschaftler:innen, die sich gerade in den Startlöchern befindet, ihre Themen und Arbeiten nachvollziehbar zu erklären, ist auch noch aus einem anderen Grund essenziell: Das potenzielle Publikum ist weit größer als früher. Klassische Publikationspfade werden durch andere Wege ergänzt. Offen zugängliche Wissenschaftstexte sind hier nur ein Punkt. Dazu kommen Blogs, Social Media oder etwa Livestreams, die der Forschung neue und auch wissenschaftlich nicht versierte Zielgruppen eröffnen. Wissenschaftliches Fehlverhalten wird transparenter. Crowdfunding eröffnet neue Fördermöglichkeiten für jene, die die Ziele ihrer Projekte einem breiten Publikum gut und verständlich vermitteln können.

 

Plastikfrei in eine Zukunft, in der in in der Wüste Gemüse gedeiht

 

Wie gut das in der Praxis funktionieren kann, zeigt etwa Sciencestarter, eine Crowdfunding-Plattform, auf der Nachwuchwissenschafter:innen in überzeugenden Worten ihre Forschungsvorhaben präsentieren und Förderer suchen. Die Palette reicht von neuen Bio-Recyclingverfahren für eine plastikfreie Zukunft über die Herstellung von Antikörpern, um Darmkrebs besser zu therapieren bis hin zur Entwicklung von Hydrokulturen, die in der Wüste Gemüse wachsen lassen.

 

Die Begabungen und das Engagement von Nachwuchsforschern, ihre Forschungsbereiche und ihre Ziele mitzuteilen, müssen oft nur aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt werden. Das belegt schon der ideenreiche Zugang der Jungen zu kreativen Kommunikationsformen – sei es nun auf Youtube, bei der Langen Nacht der Forschung oder der populärwissenschaftlichen Vermittlung eines Science-Slams. All das verdient mehr Anerkennung und sollte als Teil der akademischen Leistung von Wissenschaftler:innen gesehen werden. Entsprechende Bemühungen gibt es. Damit es mit der Wissensvermittlung in Zukunft besser klappt, hat sich zum Beispiel die deutsche Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie (GBM) in Zusammenarbeit mit Merck den mit 1.000 € dotierte Preis GBM Sciencefluencer Award ins Leben gerufen. Er wird von der größten deutschen Fachgesellschaft für biowissenschaftliche Forschung 2022 erstmals an junge Wissenschaftler:innen für ihr Engagement als Wissenschaftskommunikatoren verliehen. Die Bewerbung ist für alle Formate offen – man kann also schon auf jede Menge kreativer Lösungen gespannt sein.

 

Fazit:

Gerade für junge Forschende wird die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse immer wichtiger. Die Gesellschaft und unsere Demokratie brauchen diesen Diskurs heute nötiger denn je. Doch die Hürden für Nachwuchswissenschafter:innen zur Bewältigung dieser Aufgabe sind hoch. Die Anreize dafür fehlen oft ebenso wie die dafür nötige Zeit. Dazu kommen noch Defizite in der Aus- und Weiterbildung sowie eine mangelnde Wertschätzung im akademischen Betrieb für diese wichtige Arbeit. Im deutschen Wissenschaftssystem fehlen leider auch oft die Vorbilder, an denen sich junge Forschende orientieren könnten. Nicht selten scheint es, als würde es sich alles in allem einfach nicht lohnen, über seine wissenschaftliche Tätigkeit öffentlich zu sprechen.

 

Damit genau das nicht passiert, brauchen Forschende besonders bei Karrierebeginn eine professionelle Begleitung und Unterstützung bei ihrer wissenschaftlichen Kommunikation. Denn dieses Basiswissen ist unverzichtbar für ein professionelles Selbstverständnis, das in der Zukunft und im Verlauf der weiteren Karriere funktioniert. Nur so kann wissenschaftliche Erkenntnis auch in der Bevölkerung ankommen, wo diese Fragen mehr Anklang finden, als vielen bewusst ist.

Autorin: Anna Kollenberg

Veröffentlicht: 29. Mai 2022

Verwendete Quellen:

ckr (2021) Nachwuchs fordert Unterstützung bei Kommunikation https://www.forschung-und-lehre.de/politik/nachwuchs-fordert-unterstuetzung-bei-kommunikation-3997

ISSCS (2021) Declaration on the Future of Science Communication https://www.wissenschaft-im-dialog.de/fileadmin/user_upload/Projekte/International_Summer_School/ISSCS-Berlin2021_Declaration_FINAL.pdf

Lugger, B. ( 2019/2020) Verständlichkeit ist nur der Anfang. In: J. Schnurr und A. Mäder (Hrsg.), Wissenschaft und Gesellschaft: Ein vertrauensvoller Dialog, S.. 139-150.

Schäfer, Mike (2017) Wissenschaftskommunikation ist Wissenschaftsjournalismus, Wissenschafts-PR … und mehr https://www.wissenschaftskommunikation.de/wissenschaftskommunikation-ist-wissenschaftsjournalismus-wissenschafts-pr-und-mehr-3337/

Startnext GmbH (o.Jahr) https://www.startnext.com/pages/sciencestarter

Wissenschaft im Dialog (o.Jahr) https://www.wissenschaft-im-dialog.de/projekte/abgeschlossene-projekte/speak-up-for-science/

Anna Kollenberg