Fehlerkultur in der Wissenschaft

Pleiten, Pech und Pannen in Forschung und Wissenschaft

 

Kürzlich lief mir beim Joggen eine schwarze Katze über den Weg. Normalerweise bin ich nicht abergläubisch, aber in den nächsten Tagen ging einfach alles schief. Ich verpasste meinen Zug, weil ich das falsche Ticket angeschaut hatte. Mein Hotel rief mich an und stornierte mein Zimmer, 2 Stunden vor meiner Ankunft. Ich musste innerhalb weniger Stunden eine neue Unterkunft finden...

 

Das Gute daran: Diese Kette von Missgeschicken lieferte den perfekten Einstieg für meine erste "Science Fuck Up Night“. Ich durfte über mein Scheitern in der Philosophie und über das Scheitern in der Wissenschaft sprechen. Denn Fehler, Missgeschicke oder Scheitern sind nicht immer nur Unglücke! In der Wissenschaft und Forschung gibt es zahlreiche Fälle, bei denen Zufälle oder Missgeschicke zu großartigen Ergebnissen geführt haben. Scheitern oder Fehler führen oft zu den besten Lernprozessen und neuen Erkenntnissen. Es ist also nicht immer ein Unglück, wenn etwas schiefgeht. Ein treffendes – wenn auch nicht explizit wissenschaftliches – Beispiel, ist die Entstehung der Lindt-Schokolade.

 

Vielleicht handelt es sich um einen Mythos, aber als ich letztes Jahr das Lindt Schokoladenmuseum – Home of Chocolate – in Zürich besuchte, erfuhr ich, dass Rudolf Lindt den Erfolg seiner Conchiermaschine einem Missgeschick zu verdanken hatte. Er hatte sie an einem Freitagabend vergessen auszuschalten, wodurch sie das gesamte Wochenende lief. Das Ergebnis war eine perfekt-cremige Schokoladenmasse, aus der man die zartschmelzende Tafelschokolade gewinnen konnte. Erst durch diese Entdeckung und die richtige Dauer der Anwendung konnte Lindt die Schokolade herstellen, die wir heute so lieben.

- Anmerkung: Es gibt Quellen, die darauf hinweisen, dass dies nicht eindeutig überliefert ist, aber im Museum wurde es so erzählt. Eine schöne Geschichte!

 

Im Marketing und in der Unterhaltungsindustrie hat man längst erkannt, dass Storytelling eine enorme Kraft besitzt: Fehler und Missgeschicke sind perfekte Elemente einer Geschichte, in der die Hauptakteure etwas lernen, sich entwickeln und vorankommen. Ein Kernelement des Storytellings! Unternehmer:innen und Gründer:innen berichten daher auch – fast mit etwas Stolz – in Fuck Up Nights über ihr Scheitern. Und darüber, was sie daraus gelernt haben. Langsam entwickelt sich in der freien Wirtschaft und besonders in der Start-Up-Szene eine positive Fehlerkultur. Davon sind wir in der Wissenschaft aber noch weit entfernt.


Scheitern und Lernen in der Wissenschaft


Natürlich gibt es auch in der Wissenschaft viele Akteure und Akteurinnen, die durch Scheitern lernen, sich weiterentwickeln und neue Erkenntnisse über die Welt gewinnen. Generell sprechen wir nicht gerne über unsere Fehler oder Missgeschicke, da ihnen etwas Negatives anhaftet - obwohl die Konsequenzen auch positiv sein können.

 

In der Wissenschaftsgeschichte finden sich aber auch viele Fehler oder Missgeschicke, die sicher als hoch peinlich und unseriös gelten. Dennoch: Denken wir nur an die Entdeckung des Penicillins durch Alexander Fleming. Seine Bakterienkultur wurde versehentlich mit einer Schimmelspore kontaminiert. Es entstand das Antibiotikum. Heute nennt man es einen Zufall, aber damals war es ein Missgeschick.

 

Ein weiterer wichtiger Punkt, der in der wissenschaftlichen Praxis häufig unterschätzt wird: Wir können aus den Fehlern anderer Forschenden lernen und dieselben Fehler vermeiden. Sich über Fehler auszutauschen, hilft dabei, die eigene Arbeit zu reflektieren und aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Die Fehler müssen nicht immer hoch wissenschaftlicher Natur sein - es können auch formale Fehler oder Missgeschicke sein, wie z.B. bei der grafischen Darstellung statistischer Ergebnisse oder fehlende Seitenangaben auf Präsentationsfolien. Es sind Fehler, die wir nur einmal machen. Fehler aus denen wir lernen, wenn wir sie bei anderen beobachten und darauf achten, sie nicht zu wiederholen.

 

Fehlerkultur in der Wissenschaft positiv gestalten

 

Wie könnte eine Fehlerkultur in der Wissenschaft aussehen? Es kann sicher nicht die Lösung sein, (Nachwuchs) Wissenschaftler:innen mit noch mehr Literatur und Fachjournals zu überhäufen, "die man gelesen haben muss". Zu empfehlen sich mit gescheiterten Projekten und Forschungsvorhaben auseinanderzusetzen ist sicher sinnvoll. Aber bei der ohne hin schon hohe Arbeitsbelastung und den Anforderungen an unseren wissenschaftlichen Nachwuchs: Einfach keine gute und umsetzbare Idee.

Aus psychologischer Sicht ist persönliche und direkte Kommunikation sowieso effektiver, um Fehler und Missgeschicke auszutauschen. Nur in einem vertrauensvollen und respektvollen Umfeld werden Personen ihre Fehler offen kommunizieren. Das Stichwort lautet auch hier: Kommunikation auf Augenhöhe.

 

Jeder hat schon einmal Fehler gemacht. Anfangs fühlt man sich dabei schlecht. Ich fühle mich schlecht, wenn ich nach zwei Wochen noch einen Tippfehler in meinem Instagram-Post entdecke, obwohl zwei Personen korrekturgelesen haben. Es ist peinlich. Aber wenn wir ehrlich sind: Das passiert! Es motiviert mich, genauer hinzusehen und die Qualitätssicherung zu optimieren. Ich lerne daraus und ziehe meine Konsequenzen. Was ich nicht brauche, sind Menschen, die mich verurteilen oder sich darüber lustig machen, dass einer promovierten Person solche Rechtschreibfehler passieren.

 

Wenn wir also Fehler machen, sollten wir ohne Herablassung oder Wertung darüber sprechen - vielleicht sogar gemeinsam darüber lachen und es locker nehmen. Fehler passieren, und wenn ich sie für mich behalte, dann lerne maximal ich daraus. Wenn ich meine Fehler jedoch teile, dann lernen vielleicht Viele daraus.

 

Genau diese Idee steckt hinter den Science Fuck Up Nights: Ein offenes Forum, in dem Wissenschaftler:innen über ihre Fehler und Missgeschicke sprechen können, ohne dafür verurteilt zu werden. So können wir voneinander lernen und unsere Forschung und Erkenntnisse verbessern.

 

Diese in der Forschung und Wissenschaft noch neuen Formate können sowohl unterhaltsam und öffentlich als auch instituts- oder projektintern eine positive Fehlerkultur etablieren. Fuck Up Nights verbinden Storytelling über das Scheitern mit der positiven Entwicklung und Outcome. In Kooperation mit Emilia Miller und Sascha Vogel biete ich die Organisation und Durchführung von Fuck Up Nights auch für Ihre wissenschaftliche Einrichtung an.

 

Lassen Sie uns gerne darüber sprechen, wie wir dieses Format bei Ihnen einsetzen können, um eine positive Fehlerkultur, eine wertschätzende Kommunikation und ein enges Teambuilding umsetzen können.

Dr. Anna Kollenberg

Gerne können wir uns in einem ersten Gespräch über Ihre Ziele und Herausforderungen unterhalten. Ich freue mich auf ein virtuelles erstes Kennenlernen!

anna[at]kollenberg.solutions

 Autorin: Dr. Anna Kollenberg

Veröffentlicht: 18. Juli 2023

Foto von Ian Kim auf Unsplash

Quellen:

Winkelheide, M. (10.05.2009) Entdeckung des Penicillins – ein Zufall. https://www.deutschlandfunk.de/entdeckung-des-penicillins-ein-zufall-100.html

Schokoladenmuseum (2022) Ausstellung vor Ort. https://www.lindt-home-of-chocolate.com/de/

 

 

Anna Kollenberg